WIR SIND DAS FOLG

Die schmerzhaften Folgen der Folgsamkeit
März/April 2024

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WIR SIND DAS FOLG geht spürbar der Frage nach, welche Folgen das Folgen hat. Das Projekt folgt den Spuren bereits geschehener Katastrophen durch blinde Gehorsamkeit der Menschen und den immer wieder und gerade heute erneut auftretenden Gefahren durch diese Charaktereigenschaft.

Ist Folgsamkeit eine Folgskrankheit? Auf die Frage „Sind Sie ein folgsamer Mensch“, antworten 90% der Menschen mit Nein. Über 90% der Menschen SIND FOLGsam. Most people are other people (Oskar Wilde).

Warum ist es so schwer, eigene Attitüden zu entwickeln, sich selbst Gedanken und ein Bild von etwas zu machen? Und stattdessen lieber An-Führern zu folgen? Ist Folgsamkeit reine Bequemlichkeit? Wenn die Gesellschaft immer bequemer wird, wird sie dann auch immer folgsamer? Und somit immer gefährlicher?

Beruhen vielleicht auch die aktuellen Demonstrationen zur Verteidigung der Demokratie auf Folgsamkeit? Mitmachen, weil man das jetzt gerade so macht. Man tut dies, man tut das, das sagt man so, das macht man nicht – man, man, man, das Mantra unserer Gesellschaft.

Zentrum der Ausstellung ist ein Hocker aus Beton. Betont werden soll mit ihm die Schwere der Folgen der sich im Augenblick der Subordination so leicht und unbedacht vollzogenen Folgsamkeit.

Folgsamkeit wird auch an dieser Stelle erwartet. 25 Minuten muss man für die Audio-Installation auf dem Hocker sitzenbleiben, während man auf das Video ‚From the bottom of your heart‘ starrt, in dem beispielhaft Folger gezeigt werden, die anderen Folgern und Folgerinnen folgen. Wie bei ‚Clockwork Orange‘ wird man immer und immer wieder mit dem Gleichen bespielt. Hier mit dem Unterschied, dass das Bespielen nicht quält, nein, es beruhigt sogar. Das Quälende vollzieht sich in dieser als persönliche Performance anmutenden Gehorsamkeit an anderer Stelle.

Die für die Audio-Installation zu leistende Folgsamkeit hat schmerzhafte Folgen. Die verordneten 25 Minuten auf dem Betonhocker werden nicht jedem Besucher oder Besucherin gelingen. Die Sitzfläche des Betonhockers ist mit erhabenen Buchstaben ausgestattet, die sich tief in die Besucher einprägen.

WIR SIND DAS FOLG ist bis zur nächsten intimen Selbstreflexion im Spiegel zu sehen. Die von Arno Gruen in ‚Wider den Gehorsam‘ aufgestellte These, dass folgsame Menschen, die glauben, aus freiem Willen zu handeln, nichts fühlen, wenn man ihnen ihre eigene Folgsamkeit vor Augen führt, wird zumindest für die Dauer dieser Ausstellung widerlegt.

Das im Betonguss Einbetonierte wirkt wie eine in Stein gemeißelte, heilige Schrifttafel – Folgsamkeit ist das 1. Gebot der Gesellschaft.

Die Audioinstallation besteht aus einem Austausch mit einem Zeitzeugen, der an Hitlers Geburtstag im Jahre seiner Machtübernahme geboren wurde und endet in einem ‚Folgslied‘, gesungen von dem Musiker Chima. Schon die Nazis haben Volkslieder für ihre eigenen Zwecke missbraucht.


Folgenden Menschen kann man nicht helfen.
Zeit, sich den Eindrücken der Folgsamkeit hinzugeben.

Objekt
Sitzhocker 440x465x440 mm, Unterbau Betondruck, Sitzfläche Betonguss mit erhabenen
Buchstaben WIR SIND DAS FOLG, spiegelverkehrt

Audio
‚Austausch 33/24‘ zum Thema Folgsamkeit mit einem Zeitzeugen, geb. am 20. April 1933, 22:01 min
‚Folgslied‘ gesungen von Chima, 2:56 min

Video
‚From the bottom of your heart’

Die schmerzhaften Folgen der Folgsamkeit

Videostill ‚From the bottom of your heart‘, 2024
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